Deutsche Biotech-Firmen bei innovativen Verfahren zur Krebsdiagnostik führend

Die Krebsdiagnostik auf der Basis von Blutproben
(„Liquid Biopsy“) gehört zu jenen Forschungsbereichen der Biomedizin,
die sich rasant entwickeln. Deutsche Biotech-Firmen sind hier
international mit an der Spitze dabei. Das belegt eine Umfrage des
Biotechnologieverbandes BIO Deutschland. Erste Tests sind EU-weit und
oft darüber hinaus zugelassen, weitere befinden sich in der
Entwicklung. Allerdings gehören die neuen Konzepte noch nicht zum
Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen. Ärzteorganisationen
beschreiten darum alternative Wege, um den Rechtsanspruch von
Patientinnen und Patienten auf diese Diagnostik durchzusetzen.

Im Zeitalter der „Präzisionsmedizin“ wird die individuelle
Steuerung der Therapie bei vielen Krebserkrankungen zu einem
kontinuierlichen Prozess, getrieben von neuen diagnostischen und
therapeutischen Optionen. In den molekularpathologischen Laboratorien
können Experten – erstens – die genetische Heterogenität und
Wandlungsfähigkeit von Tumoren im Krankheitsverlauf sehr genau
charakterisieren. Es wächst – zweitens – die Zahl jener Medikamente,
die zielgerichtet an genetischen „Schwachstellen“ eines Tumors
ansetzen. Mit der Flüssigbiopsie („Liquid Biopsy“) steht unter
bestimmten Bedingungen – drittens – eine Alternative zur
Gewebeentnahme zur Verfügung: Untersucht werden dabei von Tumoren
freigesetzte Erbmoleküle (DNA, RNA) oder Zellen, die im Blut oder
anderen Körperflüssigkeiten von Patientinnen und Patienten
zirkulieren.

„Ob eine Therapie greift oder an Wirksamkeit verliert, ob ein
Tumor gegen Medikamente resistent wird oder ob es nach einer
Ruhepause zu einem Rückfall der Erkrankung kommt, lässt sich mit
Hilfe der Flüssigbiopsie früher und präziser diagnostizieren als mit
den Methoden der konventionellen Tumornachsorge. So kann auch die
Behandlung frühzeitig angepasst werden“, sagt Michael Hummel, Leiter
des Molekularpathologischen Labors am Institut für Pathologie der
Charité. Gleichwohl betont der Experte, dass die
Untersuchungsergebnisse einer Flüssigbiopsie alleine ohne Kenntnisse
der sehr umfangreichen Tumormerkmale, die bei einer
Gewebeuntersuchung gewonnen werden, keine ausreichende Interpretation
erlauben: „Die Flüssigbiopsie wird darum bei den derzeitigen
Konzepten als ergänzendes Verfahren zur Diagnostik im
Krankheitsverlauf eingesetzt.“ Hinzu kommt, dass die Methode nicht
für alle Tumoren und nicht für alle Stadien einer Erkrankung gleich
gut geeignet ist. „Nicht zuletzt besteht noch Bedarf, die
verschiedenen Verfahren zu harmonisieren“, erklärt Hummel weiter.

Dass die Flüssigbiopsie ein großes Potenzial hat, ist jedoch unter
Experten unumstritten. „Zwar sind nur wenige deutsche
Biotech-Unternehmen im Bereich der Flüssigbiopsie aktiv, doch diese
sehen sich in einem hochkompetitiven Umfeld mit der internationalen
Konkurrenz auf Augenhöhe“, erklärt Viola Bronsema, Geschäftsführerin
der Biotechnologie-Industrie-Organisation Deutschland (BIO
Deutschland e. V.). Bei einer Umfrage unter Mitgliedsunternehmen des
Verbandes innovativer Unternehmen gaben fünf an, auf diesem Gebiet
der Diagnostik aktiv zu sein. Im Deutschen Krebsforschungszentrum in
Heidelberg, ebenfalls Mitglied von BIO Deutschland, laufen ebenfalls
entsprechende Forschungsarbeiten. Diese erfolgen bei allen
Unternehmen im Schulterschluss mit anderen Firmen, etwa aus dem
Pharmabereich, und/oder mit Forschergruppen an Universitäten und
anderen Forschungseinrichtungen.

Die Firmen arbeiten an Testverfahren für verschiedene
Krebserkrankungen: Lungen-, Darm-, Prostata-, Brust- und
Eierstockkrebs sowie Melanom. Die Analysen beschränken sich nicht auf
zirkulierende DNA-Fragmente. Im Visier befinden sich auch Fragmente
des Gen-Botenstoffs RNA, zirkulierende Tumorzellen und „Exosomen“
genannte Mikrovesikel, die von Zellen freigesetzt werden. Der geringe
Anteil der Tumor-DNA an der gesamten zirkulierenden DNA liegt oft
unter einem Prozent. Darum gehören Techniken der DNA-Vermehrung, von
denen es verschiedene gibt, zu allen Testverfahren. Erst danach
lassen sich mit unterschiedlichen Verfahren, etwa der
Polymerase-Ketten-Reaktion (PCR), bekannte Mutationen identifizieren
oder mit Hilfe der Hochdurchsatz-Sequenzierung auch neue Mutationen
im Therapieverlauf entdecken. Auch hier setzen die Biotech-Firmen das
ganze Spektrum der Möglichkeiten ein.

Obwohl es für den Einsatz der Flüssigbiopsie klare Indikationen
gibt, etwa den Nachweis bestimmter Mutationen in Nicht-kleinzelligen
Bronchialkarzinomen als Basis für die Therapieentscheidung, gehören
die Verfahren nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen
Krankenkassen. Bei der letzten Aktualisierung, die am 1. Juli dieses
Jahres in Kraft trat, wurde die „In-vitro-Diagnostik tumorgenetischer
Veränderungen zur Indikationsstellung einer pharmakologischen
Therapie“ in den Leistungskatalog aufgenommen, die Flüssigbiopsie
jedoch ausgeschlossen. Sie gehört damit nicht zur Regelversorgung.
Dabei ist eine Gewebeentnahme stets ein operativer Eingriff, der
nicht nur belastender ist für Patientinnen und Patienten, sondern
auch teurer als eine Blutentnahme.

Erkrankte, die einen solchen Test benötigen, müssen die
Kostenerstattung bei ihrer Krankenkasse beantragen. Dies will der
Bundesverband Deutscher Pathologen den Betroffenen abnehmen – und
verfügt diesbezüglich bereits über Erfahrungen. In einem ähnlich
gelagerten Fall konnten Patientinnen mit fortgeschrittenem
Eierstockkrebs per Musteranschreiben ihren Rechtsanspruch auf die
Kostenerstattung eines Mutationstests im Tumorgewebe gegenüber der
Krankenkasse geltend machen und die Forderung an das untersuchende
pathologische Labor abtreten. Der Verband überlegt, dieses Konzept
erneut einzusetzen, wenn eine Flüssigbiopsie für die
Therapieentscheidung unerlässlich ist.

„Wir sind überzeugt, dass auch in diesem Fall Patienten einen
Rechtsanspruch auf diese Untersuchung haben“, sagt Gisela Kempny,
Geschäftsführerin des Bundesverbandes Deutscher Pathologen.
Sogenannte integrierte Versorgungsverträge, die der Verband mit
Krankenkassen abschließen kann, könnten eine andere Lösung sein.
Diesen Weg hat ein Zusammenschluss von pathologischen Laboratorien
bereits beschritten. Wie das Netzwerk unlängst verkündete, habe es
einen Vertrag mit der Barmer GEK abgeschlossen. Benötigt ein an
Lungenkrebs erkrankter Versicherter dieser Krankenkasse eine erneute
Biopsie für eine molekulare Tumordiagnostik, übernimmt die
Versicherung die Kosten für die Flüssigbiopsie.

Pressekontakt:
BIO Deutschland e.V.
Dr. Claudia Englbrecht
Am Weidendamm 1a
10117 Berlin
Tel.: +49 (0)30 72625-132
englbrecht@biodeutschland.org

Barbara Ritzert
ProScience Communications GmbH
Andechser Weg 17, 82343 Pöcking
08157 93970
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