Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Ernährung in Europa: Jeder zweite bis dritte Todesfall vermeidbar (FOTO)

Von insgesamt 4,3 Millionen kardiovaskulären Todesfällen im Jahr
2016 in Europa gehen 2,1 Millionen auf eine unzureichende Ernährung
zurück. Auf die 28 Mitgliedstaaten der EU entfallen davon rund
900.000, auf Russland 600.000 und auf die Ukraine 250.000 Todesfälle.
Jeder zweite bis dritte vorzeitige Todesfall könnte durch eine
bessere Ernährung vermieden werden. Das berichtet ein internationales
Forscherteam unter Leitung der Martin-Luther-Universität
Halle-Wittenberg (MLU), der Friedrich-Schiller-Universität Jena, des
Kompetenzclusters nutriCARD und der University of Washington in den
USA in der aktuellen Ausgabe des „European Journal of Epidemiology“.

Für die Studie wertete das Team repräsentative Daten der globalen
Krankheitslastenstudie (Global Burden of Disease Study) von 1990 bis
2016 aus. Sie analysierten, wie häufig Herz-Kreislauf-Erkrankungen,
zum Beispiel Herzinfarkte oder Schlaganfälle, in den 51 Ländern
vorkamen, die von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als
„europäische Region“ zusammengefasst werden. Hierzu gehören neben den
EU-Mitgliedsstaaten und weiteren europäischen Ländern auch mehrere
Staaten Vorder- und Zentralasiens, wie Armenien, Aserbaidschan,
Israel, Kasachstan, Kirgisistan, Tadschikistan, Türkei, Turkmenistan
und Usbekistan. Auf Basis des Lebensmittelkonsums und weiterer
Risikofaktoren der jeweiligen Staaten errechneten die Forscher den
Anteil der Todesfälle, der auf eine unausgewogene Ernährung
zurückzuführen ist. Dazu zählen die Wissenschaftler etwa einen zu
geringen Verzehr von Vollkornprodukten, von Nüssen und Samen sowie
von Gemüse und einen zu hohen Salzkonsum.

Der Ländervergleich zeigt deutliche Unterschiede: 2016 waren in
Deutschland 160.000 Todesfälle (46 Prozent aller kardiovaskulären
Todesfälle), in Italien 97.000 (41 Prozent), in Großbritannien 75.000
(41 Prozent) und in Frankreich 67.000 (40 Prozent) mit einer
unausgewogenen Ernährung assoziiert. In Israel und Spanien war
dagegen nur jeder dritte vorzeitige kardiovaskuläre Todesfall
ernährungsbedingt. Im Rahmen der Studie wurden spezifische
Länderprofile erstellt: „Während in Schweden und Norwegen ein zu
geringer Verzehr von Nüssen und Samen zu den meisten
ernährungsbedingten Herz-Kreislauf-Erkrankungen beiträgt, ist in
vielen zentral- und osteuropäischen sowie zentralasiatischen Ländern
der zu geringe Verzehr von Vollkornprodukten der Hauptrisikofaktor.
Oder anders formuliert: Ein vermehrter Verzehr von ballaststoffarmen
Weißmehlprodukten hat in den letzten Jahren zu einer Zunahme von
Herzkreislauf-Erkrankungen geführt. In Albanien, Aserbaidschan und
Usbekistan haben sich entsprechende Fallzahlen im betrachteten
Zeitraum sogar mehr als verdoppelt“, sagt der Studienleiter Dr. Toni
Meier von der MLU.

„Unsere Ergebnisse sind von entscheidender gesundheitspolitischer
Relevanz und sollten unbedingt bei der Entwicklung zukünftiger
Präventionsstrategien berücksichtigt werden“, ergänzt Prof. Dr.
Stefan Lorkowski von der Universität Jena, Koautor der Studie und
Sprecher des Kompetenzclusters nutriCARD. „Wir müssen das Potenzial
einer ausgewogenen und gesundheitsfördernden Ernährung besser nutzen,
sonst werden kardiometabolische Erkrankungen zukünftig noch mehr
vermeidbare Todesfälle verursachen.“

Große Unterschiede fand das Team auch in Bezug auf Alter und
Geschlecht: Männer waren tendenziell bereits in jüngeren Jahren
betroffen, Frauen dagegen erst ab dem 50. Lebensjahr. 2016 starben
rund 601.000 Menschen unter 70 Jahren an den Folgen einer
ernährungsbedingten Herz-Kreislauf-Erkrankung; davon 420.000 Männer
und 181.000 Frauen. Der höchste Anteil an ernährungsbedingten
Todesfällen bei den unter 70-Jährigen wurde in Zentralasien
beobachtet, hier waren es 42,5 Prozent. In den EU-Mitgliedsstaaten
konnten die Forscher 178.000 vorzeitige ernährungsbedingte Todesfälle
– 132.000 bei Männern und 46.000 bei Frauen – aufzeigen, was einem
Anteil von knapp 20 Prozent bei kardiovaskulären Todesfällen
entspricht.

Mit Hilfe des verwendeten Rechenmodells gelang es den Forschern
zudem, die Effekte anderer Risikofaktoren, wie Übergewicht,
Bluthochdruck, Bewegungsmangel und Rauchen, herauszurechnen und nur
den spezifischen Anteil einer falschen Ernährungsweise an
Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu bestimmen. „Zu betonen ist außerdem,
dass der allseits bekannte Risikofaktor Alkohol in unserer Studie
nicht berücksichtigt wurde. In Ländern mit einem hohen Alkoholkonsum
könnte somit das Ausmaß ernährungsbedingter kardiovaskulärer
Erkrankungen noch größer sein“, kommentiert die
Ernährungswissenschaftlerin Prof. Dr. Gabriele Stangl von der MLU.

Der Kompetenzcluster für Ernährung und kardiovaskuläre Gesundheit
(nutriCARD) bündelt die Aktivitäten im Bereich der grundlagennahen
und der angewandten Ernährungsforschung der im mitteldeutschen
Universitätsbund kooperierenden Universitäten Jena, Leipzig und
Halle-Wittenberg. Dieser wird vom Bundesministerium für Bildung und
Forschung gefördert. Ziel ist, effiziente Konzepte für eine
nachhaltige Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu entwickeln
und diese über Ernährungskommunikation und -bildung in die
Bevölkerung zu tragen.

Zur Studie: Meier T. et al. Cardiovascular mortality attributable
to dietary risk factors in 51 countries in the WHO European Region
from 1990 to 2016: a systematic analysis of the Global Burden of
Disease Study. European Journal of Epidemiology (2019). doi:
10.1007/s10654-018-0473-x

Link zu Länderprofilen: http://ots.de/RVmgvU

Pressekontakt:
Dr. Toni Meier
Institut für Agrar- und Ernährungswissenschaften
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Innovationsbüro nutriCARD
Tel: +49 345 55-22650
toni.meier@landw.uni-halle.de
www.nutriCARD.de

Original-Content von: nutriCARD, übermittelt durch news aktuell

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