Schutz in der Brutzeit reicht nicht: Kornweihen im Wattenmeer vor dem Aus? / DBU: Internationale Zusammenarbeit beim Kornweihenschutz dringend notwendig

Trotz optimaler Brut- und
Nahrungsbedingungen droht der Brutbestand der Kornweihe, einer
seltenen Greifvogelart, auf den niedersächsischen Wattenmeerinseln zu
erlöschen. Dies könnte zur Folge haben, dass in naher Zukunft
deutschlandweit keine Kornweihen mehr brüten, da die Art in
Deutschland auf den Wattenmeerinseln – noch – ihren
Verbreitungsschwerpunkt hat. Der Rückgang betrifft nicht nur das
niedersächsische Wattenmeer, sondern auch die Westfriesischen Inseln
der Niederlande. Zu diesem Ergebnis kommt eine zum Internationalen
Tag des Artenschutzes am 3. März veröffentlichte Langzeitstudie der
Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, die in Kooperation mit der
Nationalparkverwaltung Niedersächsisches Wattenmeer (Wilhelmshaven)
durchgeführt wurde. Die Ursachen des Rückgangs wurden nicht
untersucht. Da Kornweihen zu den Zugvögeln zählen, müsse
international – also auch entlang der Zugrouten und den Rast- und
Überwinterungsgebieten – nach den Gründen geforscht werden.

Scharfsichtigen Mäusejägern fehlt es im Nationalpark an nichts

„Natur- und Artenschutz kann nicht an Ländergrenzen haltmachen.
International erarbeitete Lösungskonzepte sind bei selten gewordenen
Zugvogelarten dringend notwendig“, sagt Alexander Bonde,
Generalsekretär der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU), die das
Projekt seit 2013 fachlich und finanziell unterstützte. Die Studie
leistet einen Beitrag für die internationale Kooperation beim
Kornweihenschutz. „Seit Anfang der 2000er Jahre ist der Brutbestand
von Kornweihen im Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer massiv
eingebrochen und steht jetzt vor dem Erlöschen“, sagt Peter Südbeck,
Leiter der Nationalparkverwaltung. Das sei alarmierend, weil die
Greifvogelart in Deutschland und den Niederlanden fast nur noch in
den weitläufigen, weitgehend ungestörten Dünenlandschaften der
Wattenmeer-Inseln regelmäßig brüte. Mit dem Erlöschen würde der
Nationalpark eine Brutvogelart verlieren, für die er eine hohe
Verantwortung besitzt. Positiv sei, dass anhand der Langzeitstudie
habe nachgewiesen werden können, dass es den scharfsichtigen
Mäusejägern im Nationalpark für eine erfolgreiche Brut an nichts
fehle. „Das Angebot an Wühlmäusen – ihrer Hauptbeute für die Aufzucht
der Jungen – hat sich nicht wesentlich verändert“, erläutert Nadine
Knipping von der Universität Oldenburg. Außerdem seien die
Greifvögel, bei denen das Männchen Weibchen und Jungvögel während der
Brut versorge, recht flexibel und würden auch andere kleine
Säugetiere und Vögel erbeuten. Knipping: „Mit ein bis zwei flüggen
Jungvögeln pro Brut erreicht die Greifvogelart im Nationalpark einen
vergleichsweise hohen Fortpflanzungserfolg, der seit 2009 stabil
ist.“ Dieser könne den festzustellenden Rückgang aber nicht
ausgleichen.

Artenschutz ist Lebensraumschutz zum Nutzen vieler anderer Tier-
und Pflanzenarten

Knipping verweist auf ein zweites Ergebnis der Studie: „Das
bestehende Schutzkonzept im Nationalpark sowie kurzfristige Maßnahmen
wie Wegesperrungen zum Schutz von Nistplätzen sichern die Brut- und
Nahrungslebensräume der Kornweihen in hohem Maße.“ Dass Artenschutz
eng mit dem Schutz der Lebensräume zusammenhänge, sei zwar keine neue
Erkenntnis, könne aber an diesem Beispiel sehr deutlich gemacht
werden. „Noch bis Anfang des 20. Jahrhunderts waren Kornweihen vor
allem in Norddeutschland ein verbreiteter, wenn auch nicht häufiger
Brutvogel der ausgedehnten Moor- und Heidelandschaften“, so Knipping.
Doch diese Lebensräume seien weitgehend zerstört. Die Gebiete wurden
in Ackerland umgewandelt. Zudem habe sich die landwirtschaftliche
Nutzung seither deutlich gewandelt. Die schlanken Greife würden heute
nur noch unter strengsten Nationalpark-Bedingungen gute
Fortpflanzungsmöglichkeiten finden. Auch andere gefährdete Tier- und
Pflanzenarten würden von den Schutzbemühungen rund um die Kornweihen
sehr stark profitieren.

Auf internationaler Ebene Gegenmaßnahmen ergreifen

„Umso bedauerlicher ist es, wenn im Frühjahr immer weniger zu uns
zurückkommen“, so Nationalparkleiter Südbeck. „Entscheidend für das
Vorkommen der Kornweihen im Wattenmeer ist ihr Überleben außerhalb
der Brutzeit.“ Seit Ende der 90-er Jahre sei die jährliche
Überlebensrate der Wattenmeer-Kornweihen deutlich gesunken. Derzeit
gebe es zu den Ursachen nur Vermutungen. Anzunehmen sei etwa, dass im
Verbreitungsgebiet der Kornweihe der Lebensraumverlust weiter
anhalte. Kornweihen seien auf störungsarme, extensiv genutzte und
nahrungsreiche Flächen angewiesen. Diese würden zugunsten von
Siedlungs- und Verkehrsflächen sowie einer intensivierten Landnutzung
immer weniger werden. Knipping: „Letztlich gilt es, die Ursachen des
Bestandsrückgangs schnell zu ermitteln, um auf internationaler Ebene
Gegenmaßnahmen ergreifen zu können.“ Bei einem
Kornweihen-Experten-Gesprächskreis im März wolle sie sich mit den
Studienergebnissen für den gesamteuropäischen Kornweihenschutz
einsetzen.

Umfangreiches Forschungsprojekt von 2009 bis 2019

Vor dem Hintergrund der nationalen Verantwortung für den Schutz
und Erhalt der Kornweihen wurde ab 2009 das umfangreiche
Forschungsprojekt in der Arbeitsgruppe Landschaftsökologie der
Universität Oldenburg initiiert und in Kooperation mit dem
Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer und niederländischen
Forscherkollegen durchgeführt. Neben der DBU förderten die
Niedersächsische Ornithologische Vereinigung und die Niedersächsische
Wattenmeerstiftung das Vorhaben. Der Abschlussbericht steht zum
Download zur Verfügung:
https://www.dbu.de/projekt_30347/01_db_2848.html.

Pressekontakt:
Franz-Georg Elpers
– Pressesprecher –
Kerstin Heemann
Jessica Bode

Kontakt DBU
An der Bornau 2
49090 Osnabrück
0541|9633-521
0171|3812888
presse@dbu.de
www.dbu.de

Original-Content von: Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU), übermittelt durch news aktuell

Leave a Reply

Your email address will not be published.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.