Wie Unterlegscheiben intelligent werden – Dünnschichtsensorik ist ein wichtiges Thema auf der O&S 2014

Ein hoher Individualisierungsgrad der
Produkte und eine flexibilisierte ressourceneffiziente
Großserienfertigung sind die Merkmale der künftigen
Industrieproduktion, die oft unter dem Schlagwort Industrie 4.0
zusammengefasst wird. Getrieben wird diese Entwicklung – die vierte
industrielle Revolution nach Dampfmaschine, Fließband und erster
Automatisierungswelle bis hin zur Verwendung von Robotern – durch das
Zusammenwachsen der realen und der virtuellen Welt zum so genannten
Internet der Dinge. Die Grundlage für diese Umwälzung sind autonome,
selbststeuernde und vor allem sensorgestützte Produktionssysteme. Auf
der O&S 2014, der internationalen Fachmesse für Oberflächen und
Schichten vom 24. bis zum 26. Juni in Stuttgart, spielt dieses Thema
eine wichtige Rolle.

„Dünnschichtbasierte Sensorik bietet ideale Voraussetzungen für
anwendungsorientierte Lösungen und Innovationen rund um industrielle
Produktionsprozesse“, sagt Dr. Saskia Biehl, Gruppenleiterin am
Fraunhofer-Institut für Schicht- und Oberflächentechnik (IST,
Braunschweig). Das IST hat seit vielen Jahren eine führende Stellung
auf diesem Gebiet und verfügt über eine branchenübergreifende
Expertise in den Feldern Sensorik, Schichtentwicklung und
Mikrostrukturierung. Die Fraunhofer-Gesellschaft ist ein wichtiger
Aussteller der O&S und wird dort auch traditionell wieder mit
verschiedenen Instituten vertreten sein.

Ein entscheidender Bereich für die Anwendung von
Dünnschichtsensorik ist die optimale Auslastung von Werkzeugen,
speziell von Schneidwerkzeugen. Die Produktion von Werkstücken
höchster Qualität ist nur erreichbar, wenn der Zustand der
Bearbeitungswerkzeuge im laufenden Prozess möglichst kontinuierlich
überwacht wird. Deshalb sind Werkzeuge mit integrierten Sensoren
gefragt, die qualifizierte Aussagen über den aktuellen
Verschleißzustand des Werkzeuges liefern können. Der Einsatz der
Werkzeuge in einer extrem rauen Umgebung stellt hierbei eine
besondere Herausforderung dar. Am Ort, an dem das Werkzeug die
Bearbeitung durchführt, treten oft hohe Temperaturen (Schneidwärme),
ätzende Flüssigkeiten (Kühl-Schmierstoffe) sowie elektromagnetische
Störfelder (durch die Antriebe der Werkzeugmaschinen) gleichzeitig
auf. Diese Umgebungseinflüsse sind bei der Entwicklung von geeigneten
Sensoren zu beachten.

Messungen in den Hauptbelastungszonen

Der Bedarf an Systemen zur Online-Prozessüberwachung wird immer
größer. Vor diesem Hintergrund hat das IST piezoresistive
Dünnschichtsensoren auf Basis der amorphen Kohlenwasserstoffschicht
DiaForce® entwickelt. Darauf wird eine dünne strukturierte
Chromschicht mittels Photolitographie und nasschemischer Ätzung
aufgebracht. Das Schichtsystem kombiniert hohe Verschleißfestigkeit
mit piezoresistivem Verhalten und ermöglicht Messungen direkt in den
Hauptbelastungszonen.

Die Dünnschichtsensorik bietet viele Vorteile, so lassen sich
gleich mehrere Kenngrößen wie Kraft, Druck, Temperatur und Verschleiß
erfassen. Die dafür notwendigen Messungen erfolgen online direkt in
den Hauptbelastungszonen. Auf diese Weise lassen sich
Bearbeitungsprozesse optimieren, der Ausschuss reduzieren und die
Produktqualität verbessern. Das Prototyping kann zeitlich um bis zu
30 Prozent verkürzt werden. Das IST bietet eine individuelle
Gestaltung der Sensormodule, die an die Maschinengeometrie angepasst
ist, die Entwicklung von standardisierten Sensormodulen, aber auch
individuelle Lösungen, die für die Produktionsbedingungen der Kunden
maßgeschneidert sind.

Schraubverbindungen sind in der Industrie an vielen Stellen
unverzichtbar. Voraussetzung für ihren Einsatz ist eine genau
definierte Vorspannung, die über die gesamte Lebensdauer konstant
bleibt. Üblicherweise werden derartige Verbindungen mit Hilfe von
Drehmomentschlüsseln hergestellt, die jedoch das gewünschte Moment
ungenau einstellen. Unter anderem können Schmutzpartikel in
Schraubverbindungen einen negativen Einfluss haben, sodass das
eingestellte Drehmoment nicht den gewünschten Festigkeitseffekt
zeigt. Schrauben werden deshalb häufig größer dimensioniert als
nötig. Gewicht und Kosten lassen sich durch intelligente
Unterlegscheiben sparen, die das IST entwickelt hat. Dank dieser
Scheiben ist es möglich, Kräfte und Vorspannungen präzise zu messen
und ständig zu überwachen. Das gilt auch für bewegte Teile.

Schraubverbindungen permanent überwachen

„Neben der etablierten drahtgebundenen Datenerfassung bieten wir
auch eine neuartige Unterlegscheibe mit RFID-Übertragung an, die auf
piezoresistiven Dünnschichtsensoren auf Basis von amorphen
Kohlenwasserstoffschichten beruhen“, sagt Biehl. Die periodisch
notwendige Überprüfung von dynamisch beanspruchten
Schraubverbindungen wird so deutlich einfacher. Maschinen und Anlagen
müssen nicht mehr angehalten werden, weil die Messung kontinuierlich
und berührungslos erfolgt und dadurch Zeit und Geld einspart. Die
intelligente Unterlegscheibe wurde im Projekt InUse (Intelligente
Unterlegscheibe zur Messung von Kräften in Schraubverbindungen)
erarbeitet, das im Rahmen des „Zentralen Innovationsprogramms
Mittelstand“ (ZIM) vom Bundesministerium für Wirtschaft und
Technologie gefördert wurde.

Ein weiteres Anwendungsfeld für die integrierten Sensoren sind
Tiefziehwerkzeuge. Tiefziehen gehört zu den häufig angewandten
Umformverfahren. Ihr Einsatz reicht von der Herstellung einfacher
Blechnäpfe bis hin zu komplex geformten Karosserieteilen für die
Automobilindustrie. Die Wirtschaftlichkeit solcher Prozesse wird
durch fehlerhaft ausgeformte Teile, Reißer und Faltenbildung
beeinträchtigt, die insbesondere durch Schwankungen der
Prozessparameter zustande kommen. Der Schlüssel zur Optimierung sind
prozessrelevante Informationen, die online zur Verfügung stehen und
über geeignete Regelungsverfahren eine dynamische Prozessführung
ermöglichen. Basis dafür ist die integrierte Dünnschichtsensorik, die
dazu beiträgt, Schwankungen auszugleichen und den Ausschuss zu
minimieren. Heute stehen Systeme zur Verfügung, die in direktem
Kontakt mit dem auszuformenden Werkstück stehen und die
Blecheinzugsbewegung sehr präzise messen können.

Ein relativ neues Anwendungsfeld für die Dünnschichtsensorik sind
Windkraftanlagen, für die die Zustandsüberwachung eine
Schlüsseltechnologie darstellt, um einen wirtschaftlichen Betrieb und
entsprechend gut geplante Wartungsmaßnahmen durchführen zu können.
Durch neuartige Überwachungssysteme auf Basis der platzsparenden
Sensoren können Schäden künftig sehr früh erkannt und behoben werden.
So lassen sich Entwicklungen detektieren, bevor sie zu Schäden führen
oder das Verhalten der Anlagen beeinflussen. Unter anderen forscht
auf diesem Gebiet das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR).
Für die Überwachung von elektromechanischen Aktuatoren hat die
Forschung bereits ein fortschrittliches Stadium erreicht. Neue
Aufgaben stellen sich bei der Überwachung rotierender mechanischer
Komponenten in Windkraftanlagen.

Sensorik in dünnen Schichten ist eines von vielen spannenden
Themen der O&S, die 2014 das erste Mal gemeinsam mit der
internationalen Leitmesse für industrielle Teile- und
Oberflächenreinigung „parts2clean“ veranstaltet wird. Durch den
Zusammenschluss wird das gesamte Spektrum der Oberflächentechnik –
von der Vorbehandlung über die Reinigung bis zur Beschichtung –
abgebildet. Das soll noch mehr Aussteller und Besucher nach Stuttgart
ziehen. Zuletzt hatte die O&S 2012 fast 7 000 Besucher angelockt, die
das Angebot von 330 Ausstellern auf etwa 7 500 Quadratmetern unter
die Lupe nahmen.

O&S, parts2clean, LASYS, Automotive Expo 2014

Die O&S, internationale Fachmesse für Oberflächen und Schichten,
deckt eine Vielzahl von Disziplinen innerhalb der Oberflächentechnik
ab. Dazu gehören etwa die Themen Galvanotechnik, Lackiertechnik,
industrielle Plasma- und Laser-Oberflächentechnik, Wärmebehandlung,
Lohnbeschichtung oder auch Analyse-, Mess- und Prüftechnik.

Parallel zur O&S 2014 finden die parts2clean, die LASYS und die
Automotive Expo auf dem Stuttgarter Messegelände statt. Als
internationale Leitmesse für industrielle Teile- und
Oberflächenreinigung vereint die parts2clean nahezu alle Markt- und
Technologieführer aus den dazugehörigen Themenbereichen. Diese
umfassen Anlagen, Verfahren und Prozessmedien sowie deren
Aufbereitung für das Entfetten, Reinigen, Entgraten und Vorbehandeln
von Bauteilen, Warenkörbe und Werkstückträger, Handling und
Prozessautomatisierung, Sauber- und Reinraumtechnik,
Korrosionsschutz, Konservierung und Verpackung, Lohnreinigung,
Qualitätssicherung oder auch Testmethoden und Analyseverfahren. Die
LASYS ist die internationale Fachmesse für Laser-Materialbearbeitung,
die AUTOMOTIVE Expo ein Zusammenschluss verschiedener Messen aus dem
Automotive-Bereich.

Ansprechpartner für die Redaktion:
Deutsche Messe AG
Onuora Ogbukagu
Tel.: +49 511 89-31059
E-Mail: onuora.ogbukagu@messe.de
www.ounds-messe.de

Leave a Reply

Your email address will not be published.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.