Witterungsbedingte Lackschäden früh erkennen

Lacke haben Stress mit ihrer Umwelt: Schwankende Temperaturen, Sonnenstrahlung, Feuchte, chemische Substanzen und mechanische Belastungen setzen ihnen zu und verändern die Materialeigenschaften. Um neue Rezepturen schneller entwickeln zu können, ist es erforderlich, die Alterungs- und Versagensmechanismen von Beschichtungen besser zu verstehen, Schädigungen möglichst frühzeitig zu erkennen und damit die Dauer der Laborbewitterung zu verkürzen. Wissenschaftler aus dem Bereich Kunststoffe des Fraunhofer-Instituts für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit LBF haben jetzt gemeinsam mit Kollegen der Abteilung Beschichtungssystem- und Lackiertechnik des Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnik und Automatisierung IPA in einem AiF-Forschungsprojekt eine Prüfmethodik entwickelt, die frühzeitig auf Änderungen der Lackeigenschaften während der Bewitterung reagiert. Darüber hinaus konnten sie Frühindikatoren für die Veränderungen einzelner Lackeigenschaften identifizieren. Davon profitieren Hersteller und Anwender von Farben und Beschichtungen in der Automobilindustrie, Schifffahrt und Luftfahrt sowie im Bausektor. Dank verkürzter Bewitterungszeiten können sie künftig Produkte schneller entwickeln und die Prüfkosten reduzieren.
Im Rahmen des Forschungsprojektes ?Ermittlung von Indikatoren zur frühen Erkennung von bewitterungsbedingten Lackschäden mittels eines degradationsbegleitenden Prüfansatzes? kombinierten die beiden Institute ihre analytischen und bildgebenden Verfahren. Um die bei der Bewitterung auftretenden photochemisch bewirkten Degradationsprozesse zu erkennen, untersuchten die Wissenschaftler unterschiedlich formulierte Klarlacke. Dabei koppelten sie gängige Methoden, wie Gitterschnitt, Farb- und Glanzmessungen, Infrarot-Spektroskopie oder dynamisch-mechanische Analyse mit hochempfindlichen Methoden, wie Elektronenspinresonanz-Spektroskopie, elektrochemische Impedanzspektroskopie und Ultraschallmikroskopie. Dadurch gelang es, die verschiedenen Eigenschaftsveränderungen mit einem vereinfachten Photodegradationsmechanismus in einen zeitlichen Zusammenhang zu bringen. Hieraus ließen sich Indikatoren identifizieren, die Rückschlüsse auf ein späteres Beschichtungsversagen erlauben.
Beispielsweise konnten die Forscher aus den Messdaten der elektrochemischen Impedanzspektroskopie die Wasseraufnahmereversibilität als sensitiven Parameter für das Wasserrückhaltvermögen ableiten, der sich schon nach kurzen Bewitterungszeiten verändert. Die Wasseraufnahmereversibilität stellt somit eine Größe dar, die Informationen über den Erhalt eines für Korrosionsschutzsysteme bedeutenden Schutzwirkungsparameters liefert.
Mit der Elektronenspinresonanz-Spektroskopie lässt sich die Verminderung der für die photooxidativen Degradationsreaktionen verantwortliche Zahl der Radikale bereits nach sehr kurzer Bewitterungsdauer nachweisen.
Ein neues Analyseverfahren für Ultraschallsignale und ultraschallmikroskopische Bilder erlaubt es, Veränderungen der Oberflächentopologie wie beispielsweise Risse oder Welligkeit zu identifizieren. Modellexperimente mit teilweise versiegelten Lackstellen zeigten, dass sich je nach Art der Abdeckung schon nach sehr kurzer Bewitterungsdauer Höhenunterschiede von wenigen Mikrometern im Lackaufbau einstellen, deren Auftreten mit der Haltbarkeit beziehungsweise Zusammensetzung der Beschichtung in Zusammenhang gebracht werden konnte.
Wie die beiden Fraunhofer-Institute nachweisen konnten, ermöglicht das Verfolgen aller Phasen der Lackalterung mit hochempfindlichen Messmethoden, Eigenschaftsveränderungen während des Verwitterungsprozesses früh zu erkennen. Basierend auf einem vereinfachten Photodegradationsmechanismus lassen sich bereits aus geringfügigen Eigenschaftsveränderungen Rückschlüsse auf spätere Schädigungen ableiten. Dies ermöglicht kürzere Prüfzeiten.
Das IGF-Vorhaben 17045N der Forschungsvereinigungen Deutsche Forschungsgesellschaft für Oberflächenbehandlung e. V. (DFO), Forschungsgesellschaft für Pigmente und Lacke e.V. (FPL) und Forschungsgesellschaft Kunststoffe e. V. (FGK) wurde über die AiF im Rahmen des Programms zur Förderung der industriellen Gemeinschaftsforschung und -entwicklung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert.
Über den Bereich Kunststoffe des Fraunhofer LBF
Mit dem Forschungsbereich Kunststoffe, hervorgegangen aus dem Deutschen Kunststoff-Institut DKI, begleitet und unterstützt das Fraunhofer LBF seine Kunden entlang der gesamten Wertschöpfungskette von der Polymersynthese über den Werkstoff, seine Verarbeitung und das Produktdesign bis hin zur Qualifizierung und Nachweisführung von komplexen sicherheitsrelevanten Leichtbausystemen. Der Forschungsbereich ist spezialisiert auf das Management kompletter Entwicklungsprozesse und berät seine Kunden in allen Entwicklungsstufen. Hochleistungsthermoplaste und Verbunde, Duromere, Duromer-Composites und Duromer-Verbunde sowie Thermoplastische Elastomere spielen eine zentrale Rolle. Der Bereich Kunststoffe ist ein ausgewiesenes Kompetenzzentrum für Additivierungs-, Formulierungs- und Hybrid-Fragestellungen. Umfassendes Know-how besteht in der Analyse und Charakterisierung von Kunststoffen und deren Veränderung während der Verarbeitung sowie in der Methodenentwicklung zeitaufgelöster Vorgänge bei Kunststoffen.

Das Fraunhofer LBF entwickelt, bewertet und realisiert im Kundenauftrag maßgeschneiderte Lösungen für maschinenbauliche Komponenten und Systeme, vor allem für sicherheitsrelevante Bauteile und Systeme. Dies geschieht in den Leistungsfeldern Schwingungstechnik, Leichtbau, Zuverlässigkeit und Polymertechnik. Neben der Bewertung und optimierten Auslegung passiver mechanischer Strukturen werden aktive, mechatronisch-adaptronische Funktionseinheiten entwickelt und prototypisch umgesetzt. Parallel werden entsprechende numerische sowie experimentelle Methoden und Prüftechniken vorausschauend weiterentwickelt. Die Auftraggeber kommen aus dem Automobil- und Nutzfahrzeugbau, der Schienenverkehrstechnik, dem Schiffbau, der Luftfahrt, dem Maschinen- und Anlagenbau, der Energietechnik, der Elektrotechnik, dem Bauwesen, der Medizintechnik, der chemischen Industrie und weiteren Branchen. Sie profitieren von ausgewiesener Expertise der mehr als 400 Mitarbeiter und modernster Technologie auf mehr als 11 560 Quadratmetern Labor- und Versuchsfläche an den Standorten Bartningstraße und Schlossgartenstraße.

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