Cyber-Angst lähmt Innovation

Sperrfrist: 19.02.2020 12:15
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Gefahr durch Cyberangriffe wächst – Cyberbedrohung schwächt Innovationsaktivität
von Unternehmen – Sehr hoher Bedarf an Cybersicherheitsfachleuten zurzeit nicht
zu decken – Deutschland bei Innovationen in Cybersicherheit deutlich hinter
internationalen Wettbewerbern

Das aktuelle Jahresgutachten der Expertenkommission Forschung und Innovation
(EFI), das heute der Bundeskanzlerin in Berlin übergeben wurde, widmet sich dem
Thema Cybersicherheit und den Auswirkungen von Cyberrisiken auf
Innovationsaktivitäten. „Die fortschreitende Digitalisierung und digitale
Vernetzung bieten neue Angriffspunkte auf innovative Unternehmen. Die Mehrheit
der innovativen deutschen Unternehmen in der Informationswirtschaft und im
verarbeitenden Gewerbe sieht deshalb einen hohen Schutzbedarf ihrer IT für
Innovationstätigkeiten. Außerdem geht über die Hälfte dieser innovativen
Unternehmen davon aus, dass die Gefahr durch Cyberangriffe auf ihr Unternehmen
in den kommenden Jahren weiter zunehmen wird“, so der Vorsitzende der EFI, Prof.
Uwe Cantner von der Universität Jena.

Die Innovationsaktivitäten der Unternehmen seien von dieser Gefahr direkt
betroffen (siehe Befragung zu Cybersicherheit und Innovationen) und es ergäben
sich aus Cyberangriffen mittelbar negative Auswirkungen auf das wirtschaftliche
Wachstum Deutschlands. „Das gilt insbesondere auch für den Wachstumsbeitrag
digitaler Zukunftstechnologien wie der künstlichen Intelligenz oder des
Internets der Dinge, denn der Erfolg dieser Technologien hängt nicht zuletzt von
ihrer Sicherheit ab“, wie Prof. Irene Bertschek vom ZEW Mannheim und Mitglied
der EFI erklärt.

Befragung zu Cybersicherheit und Innovationen:

Die Expertenkommission ließ untersuchen, ob sich die Bedrohung durch
Cyberangriffe auf die Innovationsaktivitäten der Unternehmen auswirkt: Eine im
Auftrag der EFI durchgeführte repräsentative Umfrage bei Unternehmen in der
Informationswirtschaft und im verarbeitenden Gewerbe im dritten Quartal 2019
zeigt zwar, dass 64 Prozent der Unternehmen keine Beeinflussung ihrer
Innovationsprojekte durch die Gefahr eines Cyberangriffs sehen. Bei immerhin
rund 30 Prozent der Unternehmen verzögern sich jedoch existierende
Innovationsprojekte wegen der Gefahr eines Cyberangriffs. Bei rund 17 Prozent
der Unternehmen werden geplante Innovationsprojekte durch die Gefahr eines
Cyberangriffs erst gar nicht begonnen. Rund 12,5 Prozent der Unternehmen planen
aus diesem Grund sogar keine neuen Innovationsprojekte.

Die Cybersicherheit ist wiederum selbst Gegenstand von Innovationen und trägt
mit ihren Produkten und Dienstleistungen zu wirtschaftlichem Wachstum und
Wohlstand in Deutschland bei. Demnach belief sich die Bruttowertschöpfung der
deutschen IT-Sicherheitswirtschaft im Jahr 2017 auf 15,5 Milliarden Euro und
machte damit 14,3 Prozent an der gesamten IT-Branche aus (108,6 Milliarden
Euro). Von 2010 bis 2017 wuchs die Bruttowertschöpfung in der
IT-Sicherheitswirtschaft nominal um durchschnittlich 5,6 Prozent pro Jahr,
stärker als die IT-Branche insgesamt oder die Gesamtwirtschaft.

Trotzdem liegt Deutschland bei Patentanmeldungen im Bereich der Cybersicherheit
mit einem Anteil von 6,2 Prozent deutlich hinter den USA (33,5 Prozent), Japan
(13,7 Prozent) und China (11,6 Prozent) zurück. „Unter den 150 innovativsten
Cybersicherheits-Unternehmen der Welt sind 112 aus den USA, 18 aus Israel und
leider nur eines aus Deutschland“, wie Prof. Bertschek feststellt.

„Einer Steigerung der Cybersicherheit – und damit einer Steigerung der
Innovationsaktivitäten deutscher Unternehmen – stehen allerdings eine Reihe von
Hemmnissen entgegen“, so Prof. Christoph Böhringer von der Universität Oldenburg
und Mitglied der EFI. Individuelle Akteure investieren zu wenig in
Cybersicherheit, weil sie die positiven Auswirkungen ihres Schutzes für andere
nicht berücksichtigen. Nutzerinnen und Nutzer von IT-Produkten wie Hard- oder
Software haben nur begrenzt Einsicht in das Sicherheitsniveau, das von Anbietern
bereitgestellt wird. Unternehmen fällt es oftmals schwer, das Risiko eines
Cyberangriffs zu quantifizieren und daraus folgende potenzielle Schäden
abzuschätzen. Ein starkes Hemmnis für mehr Cybersicherheit ist zurzeit der
Mangel an Cybersicherheitskompetenz: „Aktuell sind Unternehmen sowie der Staat
bestrebt, Cybersicherheitsfachleute einzustellen. Allerdings“, mahnt Prof.
Bertschek „bleiben entsprechende Stellen für einen langen Zeitraum unbesetzt,
weil genau diese Fachleute fehlen“, was insbesondere kleineren Unternehmen zu
schaffen macht.

Ausgehend von ihrer Analyse empfiehlt die Expertenkommission der Bundesregierung
ein Bündel von Maßnahmen:

Bedarf an Fachkräften und Kompetenzen decken

– Die Vermittlung von Cybersicherheitskenntnissen in der
beruflichen Aus- und Weiterbildung sowie an Hochschulen – mit
der Schaffung von Studiengängen zur Ausbildung von
Cyber-Expertinnen und -Experten – ist weiter voranzutreiben.

Sicherheit digitaler Infrastrukturen gewährleisten

– Die Zulassung von Komponenten digitaler Infrastrukturen sollte
auf Basis von Kriterien erfolgen, die im gesamten europäischen
Binnenmarkt gelten. Diese Kriterien sollten technische und
nicht-technische Aspekte berücksichtigen und für Anbieter aus
EU- und Nicht-EU-Ländern gleichermaßen gelten.
– Die Bundesregierung sollte multilaterale Initiativen wie die
Datencloud GAIA-X forcieren, um so Impulse für sichere digitale
Infrastrukturen auf nationaler und EU-Ebene zu geben.

Neue Cyberagentur zügig starten

– Die von der Bundesregierung geschaffene Agentur für Innovation
in der Cybersicherheit sollte 2020 den Geschäftsbetrieb zügig
aufnehmen.

Informationslage zu Cyberbedrohungen verbessern

– Es ist wichtig – insbesondere für kleine und mittlere
Unternehmen (KMU) – Informations- und Beratungsangebote zur
Verfügung zu stellen. Bestehende Programme zur Förderung von
Cybersicherheit in KMU sollten auf ihre Wirksamkeit überprüft
und an die sich ständig verändernde Bedrohungslage angepasst
werden.
– Initiativen zur Entwicklung von Mindeststandards und
Zertifizierungen bei der Cybersicherheit – insbesondere auf
europäischer Ebene – sollten unterstützt werden. Es ist zu
prüfen, ob die bestehenden Meldepflichten zu Cyberangriffen
ausgeweitet werden sollen.

Die Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) mit Sitz in Berlin leistet
seit 2008 wissenschaftliche Politikberatung für die Bundesregierung und legt
jährlich ein Gutachten zu Forschung, Innovation und technologischer
Leistungsfähigkeit Deutschlands vor. Wesentliche Aufgabe der EFI ist es dabei,
die Stärken und Schwächen des deutschen Innovationssystems im internationalen
und zeitlichen Vergleich zu analysieren und die Perspektiven des Forschungs- und
Innovationsstandorts Deutschland zu bewerten. Auf dieser Basis entwickelt die
EFI Vorschläge für die nationale Forschungs- und Innovationspolitik.

Für Presseanfragen:

Dr. Helge Dauchert (Leiter der EFI-Geschäftsstelle)
E-Mail: helge.dauchert@e-fi.de +++ Tel: 030 / 322 982 562 +++
www.e-fi.de

Weiteres Material: https://www.presseportal.de/pm/18931/4520844
OTS: Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft

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