Integration von Flüchtlingen in die Belegschaft – ein Plus für alle

Integration erneuert Unternehmen und Gesellschaft

Für Mitte September lädt Angela Merkel Vorstandschefs wichtiger deutscher Konzerne zum Flüchtlingsgipfel ins Kanzleramt ein. Um Flüchtlinge gut zu integrieren, möchte die Kanzlerin mehr Lehrstellen und Jobs für sie erwirken. „Ein guter Ansatz“, meint die interkulturelle Trainerin und Ethnologin Kundri Böhmer-Bauer, „denn Erwerbstätigkeit an sich besitzt bereits integrierende Wirkung. Sie verhilft zu Anerkennung und das Selbstwertgefühl bleibt erhalten oder wächst sogar; beste Voraussetzungen, um ein Gefühl der gleichberechtigten Zugehörigkeit zur Gesellschaft zu entwickeln.“ Und darum geht es schließlich bei Integration. Laut Europäischer Kommission ist Integration ein dynamischer, in beide Richtungen gehender Prozess des gegenseitigen Entgegenkommens aller Einwanderer und aller in den EU-Mitgliedstaaten ansässigen Personen basierend auf den Grundwerten der EU.

Eine Kultur, die sich nicht verändert, ist eine tote Kultur

„Zu den Bedeutungen des lateinischen Wortes integrare, von dem sich Integration ableitet, zählen: erneuern, ergänzen, auffrischen, vervollständigen“, führt Böhmer-Bauer aus. „Und das bezieht sich sowohl auf die Bevölkerung Deutschlands als auch auf die Neuankömmlinge. Eine Kultur, die sich nicht verändert, ist eine tote Kultur. Denn Kultur ist kein statisches Gebilde, jeder und jede von uns trägt viele verschiedene Kulturen in sich, die von Nationalkulturen über Unternehmenskulturen, Berufskulturen zu Freizeitkulturen reichen und ständigem Wandel unterworfen sind.“

Berührungsängste bei Unternehmen und Mitarbeitern abbauen

Es sind nicht nur mangelnde Deutschkenntnisse oder aufenthaltsrechtliche Unsicherheiten, die Unternehmen zögern lassen, Menschen mit Fluchthintergrund einzustellen, sondern auch kulturelle Vorurteile bzw. kulturelle Unkenntnis und Angst vor einer Mehrbelastung in der Firma. Gleichzeitig brechen viele ehemalige Flüchtlinge die Lehre ab, Mitarbeiter erscheinen nicht mehr. Deshalb ist es „nur“ mit der Schaffung von neuen Arbeitsplätzen nicht getan. Um die meist jungen Menschen im Unternehmen zu halten, ist Wissen über die neuen Mitarbeiter, ihre Kulturen und ihre Herkunftsländer wichtig. Und natürlich über die eigenen kulturellen Hintergründe.

Nutzen interkultureller Trainings für die Belegschaft

Interkulturelle Trainings helfen, die eigenen kulturellen Prägungen zu reflektieren, für andere Weltbilder zu sensibilisieren und vermitteln Hintergründe. „Es ist erstaunlich, wie wenig über die Herkunftsländer von Flüchtlingen bekannt ist.“ Böhmer-Bauer gibt ein Beispiel: „Als der junge syrische Kollege anbot, die Baufirma auch bei Aufträgen in Dubai zu unterstützen, weil er doch Arabisch spreche, war der Chef sehr erstaunt und meinte: Wir dachten, du sprichst Syrisch.“ Das zeigt, dass sich Firmen mangels Wissen gar nicht bewusst sind, welche Chancen die neuen Mitarbeiter dem Unternehmen bieten, z. B. im Hinblick auf wirtschaftliche Beziehungen zu diversen islamischen Ländern, wie Iran oder Saudi Arabien.

Neue Anforderungen an interkulturelle Trainings

Interkulturelle Trainings im Hinblick auf Flüchtlinge müssen sich grundlegend von den üblichen Ländervorbereitungstrainings unterscheiden. „Themen wie Rassismus am Arbeitsplatz, die Situation von Flüchtlingen in Deutschland, Basiswissen über den Islam und das Kulturschock-Modell sind notwendig. Es gibt nicht den Flüchtling an sich“, betont Böhmer-Bauer. „Flüchtlinge unterscheiden sich nach Herkunftsland, Bildungsschicht, Alter, Fluchtgeschichte und vielem anderen. Im interkulturellen Training geht es darum, die problematische wir/sie-Einstellung aufzuheben. Eine solche Mitarbeiter-Fortbildung fördert nicht nur das Betriebsklima, sondern auch die Produktivität im Team und damit den Erfolg des Unternehmens. Ziel ist es, dass sich Einheimische wie Zugewanderte trotz Verschiedenheiten als Gemeinschaft betrachten, ob im Unternehmen oder der Gesamtgesellschaft.“

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Vorteile für die Unternehmen und die deutsche Wirtschaft

Viele der Flüchtlinge sind hochmotiviert, sich durch Arbeit ein neues Leben aufzubauen. Das bedeutet für die Firmen engagierte Mitarbeiter, die durch ihre Sprachen und kulturellen Hintergründe für globale Aufträge qualifiziert sind. Nicht zu vergessen ihr Einfluss auf das deutsche Wirtschaftswachstum, denn die Neuankömmlinge haben viele materielle Güter durch die Flucht bzw. durch Fluchtursachen, wie Krieg, verloren und möchten sich wieder neue Dinge anschaffen. Auch wenn Integration für die Gesellschaft vorerst mit Kosten verbunden ist, zeigen Autoren des „Friedensgutachten 2016“ auf, dass sich Zuwanderung mittel- bis langfristig in erhöhter ökonomischer Prosperität niederschlägt. Zu ähnlichen Ergebnissen kommt eine Simulation des Deutschen Instituts für Wirtschafsforschung (DIW).

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