Mit Bakterien zu alternativen Treibstoffen / Das Zeitalter der Biokraftstoffe hat auch beim Fliegen schon begonnen (BILD)

– Testflüge haben gezeigt, dass Biokerosin alltagstauglich ist und
Triebwerken nicht schadet
– Dem Kerosin wird oft Treibstoff beigemischt, das aus hydrierten
Pflanzenölen oder Algen gewonnen wird.
– Für Kleinflugzeuge kommt Ethanol in Frage, das sich auch
mithilfe von Bakterien nachhaltig gewinnen lässt.
– Berliner Biologen haben das Verfahren entwickelt. Ein
Großversuch in Florida steht an.

Zahlreiche Testflüge haben es bewiesen: Mischungen aus Kerosin und
Biotreibstoffen sind technisch unbedenklich. Mittlerweile werden auch
auf regulären Flügen solche alternativen Kraftstoffe eingesetzt. So
hat die Lufthansa im zweiten Halbjahr 2011 die Tauglichkeit von
Biokerosin getestet. Eines der beiden Triebwerke des Linienflugzeugs
Airbus A321 wurde auf der Strecke Hamburg-Frankfurt zu 50 Prozent mit
Bio-Kerosin betrieben. Nach 1187 Flügen zogen die Experten von
Lufthansa Technik und MTU Aero Engines Bilanz. Der Einsatz von
insgesamt 1557 Tonnen Biokerosingemisch brachte eine Einsparung von
1471 Tonnen CO2. „Der Biokraftstoff hat sich als alltagstauglich
erwiesen“, sagt Joachim Buse, Leiter des Bereichs „Alternative
Flugtreibstoffe“ bei der Lufthansa. Praxistauglichkeit zeigte auch
der erste Langstreckenflug mit Biotreibstoff. Am 13. Januar 2012 flog
eine mit rund 40 Tonnen Biokerosingemisch betankte Boeing 747-400
problemlos von Frankfurt nach Washington und sparte dabei 38 Tonnen
Kohlendioxid ein. Auch die Triebwerke kamen mit dem Biokerosin gut
zurecht. „Es sind keine Probleme bezüglich kürzerer Lebensdauer oder
höherer Reparaturanfälligkeit zu erwarten“, sagt Buse. Freilich
musste die finnische Firma Neste Oil dafür eine ausgeklügelte
Mischung vor allem aus Jatropha- und Leindotteröl herstellen.

Auch Flugzeughersteller engagieren sich, um Wertschöpfungsketten
für alternative Treibstoffe aufzubauen. So beschloss Airbus unter
anderem Ende 2012 ein Projekt in China, um die Produktion von
Biokerosin auf Algenbasis zu erproben. In Berlin-Adlershof geht man
einen anderen Weg. Hier werden Bakterien mit Kohlendioxid gefüttert
und mit Licht bestrahlt, um sie zur Produktion von Ethanol anzuregen.
Zwar kommt dieser Kraftstoff nur für Leichtflugzeuge in Frage, aus
der Algenmasse kann jedoch auch Bioöl gewonnen werden.

Die Hoffnung ist grün, im wahrsten Sinne des Wortes. In diesem
Fall ist sie tiefgrün, eine Flüssigkeit im transparenten
Plastikschlauch mit weißem Schaum obendrauf. „In dem Versuchsreaktor
wird Ethanol produziert“, sagt Dirk Radzinski, Manager des
Unternehmens Algenol Biofuels Germany in Berlin-Adlershof, dem
Wissenschafts- und Technologiepark im Südosten der Hauptstadt. Die
Arbeit verrichten Cyanobakterien, auch als Blaualgen bekannt, die
sonst häufig Gewässer verschmutzen. Sie kommen dabei mit
Kohlendioxid, Wasser und Licht aus, genauso wie die Pflanzen bei der
Photosynthese. In der hochkonzentriert salzigen Brühe blubbern
Kohlendioxidbläschen, grelle Leuchtstoffröhren liefern Licht.

In unseren sonnenarmen Breiten wäre eine groß angelegte Produktion
von Biosprit aus Bakterien nicht praktikabel, sagt Radzinski. 2007
gegründet und auf rund 50 Mitarbeiter angewachsen gehört die Firma
mittlerweile dem US-Unternehmen Algenol, mit dem sie seit 2008
kooperiert. Algenol-Chef Paul Woods habe damals ein Unternehmen
gesucht, das Cyanobakterien so verändern kann, dass sie im großen
Maßstab Ethanol herstellen, erzählt Radzinski. Als weltweit
einzigartig wurde das Berliner Biotech-Unternehmen ausgewählt, dessen
Gründer aus der Berliner Humboldt-Universität stammen. So begann die
Partnerschaft, die sich jetzt auch in einer Pilotanlage in Florida
manifestiert. Ende März 2013 soll sie auf einer Fläche von etwa 5000
Quadratmetern eröffnet werden. Der Praxistest ist angesagt. „Wir
wollen herausfinden, welcher der vielen Bakterienstämme unter welchen
Bedingungen die beste Ausbeute liefert“, sagt Radzinski.

Denn das Cyanobakterium stellt zwar auch ohne
molekularbiologischen Eingriff Ethanol her, jedoch nur als kleines
Nebenprodukt. Damit sich die Prozedur rechnet, muss die Ausbeute
vergrößert werden. Deshalb fügten die Adlershofer Tüftler genetische
Bausteine ein, die die Ethanol-Synthese richtig auf Trab bringen. Mit
Erfolg, denn mittlerweile erzeugen die Cyanobakterien etwa zehn Mal
so viel Ethanol pro Flächeneinheit wie bei der Vergärung von
Zuckerrohr entsteht. Während bei dieser bisher ertragsreichsten
Methode jährlich etwa 7500 Liter Ethanol pro Hektar herauskommen,
schaffen Cyano-Bakterien im gleichen Zeitraum durchschnittlich 75 000
Liter.

Da die Blaualgen sehr robust sind und in konzentriertem Salzwasser
wachsen, benötigt man kein Trinkwasser, um die Einzeller zu
kultivieren. Man kann Meerwasser nutzen, die Anlagen können in
unwirtlichen, jedoch sonnenreichen Gegenden stehen, so dass es keine
Konkurrenz zu landwirtschaftlichen Nutzflächen gibt. „Wir können auch
in meeresnahen Wüstengebieten kultivieren“, sagt Radzinski. Bestätigt
sich die exzellente Laborausbeute beim Pilotversuch unter Floridas
heißer Sonne, dann dürfte der bakterielle Bio-Treibstoff gegenüber
dem aus fossilen Quellen gewonnenen Ethanol bald konkurrenzfähig
sein. Die Produktion im industriellen Maßstab soll später in einer
Großanlage in der mexikanischen Sonora-Wüste am Golf von Kalifornien
bewerkstelligt werden. Die Ökobilanz der Bakterien-Methode falle
günstiger aus als bei Verfahren, bei denen Ethanol aus Zuckerrohr,
Zellulose oder Algenöl gewonnen wird, betont Radzinski. Das weltweit
erste mit Alkohol betriebene Flugzeug, die brasilianische EMB-202A
Ipanema, ein propellergetriebenes Agrarflugzeug, erhielt 2004 die
Zulassung.

Für Passagierflugzeuge reicht die Energiedichte des Alkohols nicht
aus. Bakterien molekularbiologisch zu Biodiesel-Produzenten
umzubauen, ist noch Zukunftsmusik. Möglich, jedoch derzeit
wirtschaftlich unrentabel, ist die chemische Veredelung des Ethanols
durch die Fischer-Tropsch-Synthese. So wird das Biokerosin aus
Pflanzenöl oder aus Biomasse gewonnen. Bis 2025 sollen Flugzeuge in
Deutschland mit zehn Prozent alternativem Kraftstoff angetrieben
werden, wie es die aireg (Aviation Initiative for Renewable Energy in
Germany) formuliert. Der im September 2011 gegründete Verbund mit
Sitz in Berlin hat mittlerweile 34 Mitglieder, Airlines,
Forschungseinrichtungen und Bioenergieproduzenten. Das Ziel ist,
Entwicklung und Einsatz alternativer, regenerativer
Flüssigkraftstoffe im Luftverkehr zu fördern.

Auf lange Sicht wird es nicht ausreichen, den Treibstoff nur
teilweise „Bio“ werden zu lassen. Wenn die fossilen Quellen
versiegen, kommt auch das Aus für Kerosin. Elektro ist für Flugzeuge
derzeit keine Alternative. „Auf der Straße sind Elektroantriebe
durchaus sinnvoll. Hier können die Konstrukteure das Gewicht der
Batterie durch Leichtbau kompensieren. Bei Flugzeugen spielt Gewicht
eine große Rolle. Für große Passagiermaschinen ist ein Elektroantrieb
deshalb für lange Zeit nicht machbar“, sagt Jean Botti, Vorstand
Technik bei EADS. „Elektrische Alternativen oder Antriebe mit
Brennstoffzellen kommen für Großraumjets nicht in Frage“, bestätigt
Lukas Rohleder, Sprecher bei aireg.

Die Herausforderung besteht darin, einen Treibstoff wie Kerosin
hundertprozentig zu ersetzen, der sich bezüglich seiner hohen
Energiedichte als ideal erwiesen hat und selbst bei
Umgebungstemperaturen von minus 50 Grad noch flüssig ist. Kerosin
wird hauptsächlich durch seine langkettigen Verbindungen aus
Kohlenwasserstoff so leistungsstark. Als Ersatz kommt vor allem
Biomasse aus solchen Pflanzen ins Spiel, die nicht als Nahrungsmittel
für Menschen dienen. Zudem sollten sie auf Böden wachsen, auf denen
sich der landwirtschaftliche Anbau nicht lohnt. Die Konkurrenz
zwischen Tank und Teller soll vermieden werden.

So kommen bei Projekten, die etwa von aireg unterstützt werden,
stets ökologische und soziale Aspekte auf den Prüfstand. Der Anbau
von Pflanzen, die zur Produktion von Biokraftstoffen geeignet sind,
kann für unterentwickelte Regionen etwa in Afrika vorteilhaft sein.
So lässt sich die Ausbreitung von Wüsten stoppen, nachhaltige
Landwirtschaft schafft Arbeitsplätze. Mit dem Verdienst können
Lebensmittel gekauft werden, so dass sich deren Anbau und
Verarbeitung lohnt.

Zur Biokraftstoff-Produktion geeignet ist beispielsweise Jatropha,
eine Pflanze aus der Familie der Wolfsmilchgewächse, die in den
Tropen und Subtropen auf trockenen und marginalen Böden wächst. Ihre
Früchte liefern Öl, das nicht zum Verzehr geeignet ist. Jatropha-Öl
wird bereits teilweise als Beimischung zu Biotreibstoffen bei
Testflügen verwendet.

Auch Öl aus Algenmasse kommt als alternativer Flugzeugtreibstoff
in Frage. Hier arbeiten weltweit zahlreiche Wissenschaftler daran,
die richtige Mischung aus Licht, Kohlendioxid und Nährstoffen zu
finden, um eine möglichst hohe Ausbeute an Algen zu bekommen.
Mittlerweile sind einige Forschungsprojekte erfolgreich gelaufen und
Pilotanlagen in Sicht. So soll 2014 mit Unterstützung des
Landwirtschaftsministeriums ein großer Pilotversuch am
Forschungszentrum Jülich beginnen. Auch in Berlin-Adlershof gibt es
Überlegungen, die Blaualgen nicht nur als Produzenten von Ethanol zu
nutzen. Nach einiger Zeit sterben die Bakterien ab und müssen ersetzt
werden. „Diese Algenmasse können wir zur Produktion von Bio-Öl
nutzen, das eine hohe Energiedichte hat“, sagt Radzinski.

Pressekontakt:
Wolfgang Scheunemann, dokeo
Telefon: 0711-633 969 80
E-Mail: info@luftfahrt-industrie.de
www.luftfahrt-industrie.de

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