DBU-Modellprojekt: Praxisleitfaden soll Auwälder retten

Natur- und Hochwasserschutz vereinen:
Praxisleitfaden soll Auwälder retten

Bundesweites Modellprojekt an der Mittelelbe abgeschlossen – DBU
gab 350.000 Euro

Auwälder an Flüssen und Bächen – seit der Regulierungswut Mitte
des vorigen Jahrhunderts europaweit quasi vom Aussterben bedroht –
sind problemlos mit dem Hochwasserschutz vereinbar, wenn sie an der
richtigen Stelle positioniert sind. Untersuchungen der Universitäten
Karlsruhe und Marburg am Beispiel des Rühstädt-Bälower Bogens nahe
Wittenberge haben ergeben, dass die Elbevorländer ein beträchtliches
ökologisches Potenzial für Auwälder sowie ausreichend
Überflutungsareale für den Hochwasserfall bieten. Die Experten haben
einen Praxisleitfaden entwickelt, mit dem sich geeignete Flächen für
Auwaldpflanzungen ermitteln lassen und ökologische Kriterien sowie
Ziele des Hochwasserschutzes unter einen Hut passen. Auf Basis der
Ergebnisse wurden an der Mittelelbe fünf Hektar neuer Auwald
gepflanzt. Der Praxisleitfaden zum Projekt, das von der Deutschen
Bundesstiftung Umwelt (DBU) mit rund 350.000 Euro gefördert wurde,
ist auf der Homepage der Uni Marburg, Fachbereich
Naturschutzbiologie, online abrufbar.

„Auwälder gehören zu den am stärksten bedrohten Lebensräumen in
Deutschland. Wir wollen diese wertvollen Biotope bewahren und zeigen,
dass Natur- und Hochwasserschutz mit innovativen und nachhaltigen
Strategien vereinbar sind“, sagte heute DBU-Generalsekretär Dr.-Ing.
E. h. Fritz Brickwedde. In der Vergangenheit seien viele Auwälder
abgeholzt und zu Weideland umgewandelt worden. Der Wunsch, die
Flussläufe zu regulieren und damit möglichst ganzjährig schiffbar zu
machen, habe vor allem in Mitteleuropa nur noch Reste des
ursprünglichen Auwaldvorkommens übrig gelassen. Seitdem die
häufigeren und schwereren Flusshochwasser in das Licht der
Öffentlichkeit gerückt seien und auf das Fehlen dringend benötigter
Überflutungsflächen deuteten, sei eine Umkehr dieser Entwicklung im
Gange. So würden heute vor allem kleinere Flussläufe und
Flussabschnitte wieder vernässt und deren Vorlandbereiche an das
Hauptgewässer angebunden, wie etwa an der Isar und im Nationalpark
Donau-Auen.

„Unsere Untersuchungen bei Wittenberge haben ergeben, dass die
weitläufigen Grünländer der Elbevorländer winterliches Schmelzwasser
oder Hochwasser nach starken Regenfällen auch dann noch aufnehmen
können, wenn ökologisch nicht unbedeutende Teilbereiche zu Auwäldern
umentwickelt werden“, erklärte Projektleiterin Dr. Ilona Leyer von
der AG Naturschutzbiologie der Universität Marburg. Dazu seien zwei
Szenarien mit 32 Hektar und 49 Hektar zusätzlicher Weichholzaue
untersucht worden.

Weichholzauen, in denen zum Beispiel Schwarz-Pappeln oder
Silber-Weiden wachsen, erfüllen laut Leyer herausragende Funktionen
für die Natur: „Sie verhindern zum Beispiel das Unterspülen und
Wegbrechen der Uferböschungen. Überflutete Auwälder filtern zudem das
versickernde Wasser und führen es dem Wasserlauf in besserer Qualität
wieder zu“, so Leyer. Dennoch werde die Neuanlage von Auwäldern wegen
der dramatischen Hochwasserereignisse der letzten Jahre immer noch
kritisch gesehen, ergänzte DBU-Naturschutzreferent Dr. Volker
Wachendörfer. Es sei bekannt, dass zu dichter Gehölzbewuchs am
Flussufer die Hochwassergefahr verschärfen könne. Im Hochwasserfall
müsse das Wasser das Gehölz um- und durchfließen. Die dabei
entstehenden hydraulischen Widerstände könnten einen Wasseraufstau
stromaufwärts verursachen. Das allerdings alles nur, wenn der Auwald
an Stellen platziert werde, die für das abfließende Wasser einen
wichtigen Korridor darstellen.

„Der entwickelte Praxisleitfaden erlaubt Anwendern – wie
Naturschutzeinrichtungen, Planungsbüros und Wasserbehörden – nun, die
Ziele der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie sowie von NATURA 2000
umzusetzen. Das im Projekt angewandte Verfahren lässt sich außerdem
auf Hartholzauwälder übertragen“, betonte Leyer. In diesen Auwäldern
seien vor allem Stiel-Eichen und Feld-Ulmen zu finden. „Weitere
Möglichkeiten, um Hochwasserschutz und Auwaldentwicklung miteinander
zu verbinden, bestehen darin, neue Überschwemmungsgebiete zu
schaffen, zum Beispiel durch Deichrückverlegungen“, sagte Dr.-Ing.
Boris Lehmann vom Institut für Wasser und Gewässerentwicklung der Uni
Karlsruhe. Auch Nebenrinnen und Altläufe im Vorland von Flüssen
können hydraulisch gezielt an den Hauptfluss wieder angebunden werden
und damit Überflutungsräume vergrößern und das Hochwasserrisiko für
naheliegende Siedlungen verringern.

Das DBU-Projekt wurde von einem Expertenrat wissenschaftlich
begleitet und positiv bewertet. Dieser setzte sich aus von der DBU
berufenen Vertretern der Bundesanstalt für Gewässerkunde Koblenz, des
Bundesamtes für Naturschutz Bonn sowie des Fachbereichs
Ingenieurhydrologie und Wasserbewirtschaftung der Universität
Darmstadt zusammen. Das Biosphärenreservat Mittelelbe in
Sachsen-Anhalt und das Forstamt Kyritz in Brandenburg haben die
Forschungsergebnisse modellhaft umgesetzt. Das Projekt erhielt 2011
den Projekt-Förderpreis der Deutschen Ökologischen Gesellschaft.

Pressekontakt:
Ansprechpartner
Franz-Georg Elpers
– Pressesprecher –
Eva Ziebarth
Anneliese Grabara

Kontakt DBU:
An der Bornau 2
49090 Osnabrück
Telefon: 0541|9633521
Telefax: 0541|9633198
presse@dbu.de
www.dbu.de

Ansprechpartner für Fragen zum Projekt:
Dr. Ilona Leyer
AG Naturschutzbiologie Universität Marburg
Telefon: 06421/2823499
Telefax: 06421/2822052
E-Mail: ilona.leyer@
hs-rm.de

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