Raucher sind wenig empfänglich für Schockbilder / Forscher der Universität Bonn stellen verminderte Aktivität des „Furchtzentrums“ im Gehirn fest

Ein Wissenschaftler-Team unter Leitung der
Universität Bonn hat bei Rauchern deutliche Veränderungen in der
Emotionsverarbeitung festgestellt. Nach einer zwölfstündigen
Abstinenz war bei den Süchtigen das Furchtzentrum im Gehirn
weitgehend außer Kraft gesetzt. Die Forscher vermuten, dass
Abschreckungskampagnen mit Bildern von Raucherlungen auf
Zigarettenpackungen – wie sie derzeit die USA und die EU planen – bei
dieser Zielgruppe kaum wirken.

An der von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Studie
waren Wissenschaftler der Universitäten Bonn und Köln sowie der
Charité in Berlin beteiligt. 28 langjährige, jüngere Raucher und
ebenso viele Nichtraucher nahmen teil. Ihnen wurden jeweils Fotos von
fröhlichen, angsterfüllten und neutralen Gesichtern gezeigt.
Gleichzeitig erfassten die Wissenschaftler die Gehirnaktivität der
Probanden. Im Augenmerk der Forscher stand dabei insbesondere die
Amygdala – eine Struktur, die auch als „Mandelkern“ bezeichnet wird.
„Das ist das Furchtzentrum im Gehirn“, berichtet Privatdozent Dr. Dr.
med. René Hurlemann, Oberarzt an der Klinik und Poliklinik für
Psychiatrie und Psychotherapie des Bonner Universitätsklinikums.

Die Amygdala war immer dann aktiv, wenn die Probanden ängstliche
Gesichter zu sehen bekamen. „Bei Rauchern und Nichtrauchern zeigten
sich hier zunächst keine Unterschiede“, berichtet der Erstautor und
Neurologe Dr. Özgür Onur, der früher am Bonner Universitätsklinikum
arbeitete und jetzt am Kölner Universitätsklinikum beschäftigt ist.
„Die Verarbeitung von Emotionen im Gehirn funktionierte bei beiden
Gruppen also ähnlich.“ Das war immer dann der Fall, wenn die
Süchtigen vorher ausreichend dem blauen Dunst frönen durften. Die
Testpersonen im Alter von Ende 20 konsumierten im Schnitt 17
Zigaretten am Tag und das seit neun Jahren.

Aktivität der Amygdala sinkt bei Abstinenz

Wenn die Raucher aber eine zwölfstündige Abstinenz hinter sich
hatten, zeigte sich ein anderes Bild. „Die Aktivität des
Furchtzentrums war bereits nach wenigen Stunden Enthaltsamkeit im
Vergleich zu vorher stark herabgesetzt“, sagt Onur. „Bilder von
ängstlichen Menschen waren ihnen schlicht egal.“

Die mangelnde Furcht ist problematisch. „Die Amygdala wird daran
gehindert, ihrer natürlichen Funktion nachzugehen“, sagt Hurlemann.
„Angst ist ein archaischer Trieb und schützt uns davor, Gefährliches
zu tun.“ Dieses natürliche Reaktionsmuster zeigen seit kurzem
enthaltsame Raucher nicht: Sie fürchten sich nicht vor den Folgen des
Rauchens. „Offenbar sind sie gedanklich in ihrer Sucht gefangen und
sind dann weniger empfänglich für Angst einflößende Reize“, sagt
Onur. „Raucher brauchen offenbar das Nikotin, um die Normalfunktion
ihrer Amygdala aufrecht zu erhalten.“

Hurlemann bezweifelt, dass die in den USA geplanten und auch in
der EU in Erwägung gezogenen Schockbilder von Raucherlungen und
Tumoren auf Zigarettenpackungen bei der Mehrzahl der Süchtigen eine
große Wirkung haben wird. „Wer mit dem Rauchen aufhört, bei dem ist
die Aktivität des Furchtzentrums so weit herabgesetzt, dass er wenig
empfänglich für die abschreckenden Fotos ist“, sagt Hurlemann.

Hälfte der Raucher stirbt vorzeitig

„Es gibt 1,2 Milliarden Raucher weltweit“, sagt der Bonner
Oberarzt. „Statistiken gehen davon aus, dass etwa die Hälfte an den
Folgen des Rauchens vorzeitig sterben wird.“ Deshalb müsse die Frage
gestellt werden, wie man diesen Menschen helfen kann, sagt Hurlemann.
„Vielleicht sollte man stärker in Therapiemaßnahmen für Raucher
investieren und in die Forschung, die die Raucherentwöhnung für
verschiedenen Patienten optimiert?“

Bei Nichtrauchern sei die Amygdala hingegen aktiv, die
schockierenden Bilder werden deshalb bei ihnen ihre Wirkung nicht
verfehlen, ist der Privatdozent überzeugt. „Wer noch nicht raucht,
kann also absehbar durch solche Schock-Kampagnen vom Zigarettenkonsum
abgehalten werden“, sagt auch Dr. Özgür Onur.

Publikation:

Oezguer A. Onur, Alexandra Patin, Yoan Mihov, Boris Buecher,
Birgit Stoffel-Wagner, Thomas E. Schlaepfer, Henrik Walter, Wolfgang
Meier und René Hurlemann: Overnight Deprivation from Smoking Disrupts
Amygdala Responses to Fear, Journal „Human Brain Mapping“, Internet:
http://ots.de/OtpWf

Pressekontakt:
Privatdozent Dr. Dr. med. René Hurlemann
Oberarzt an der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und
Psychotherapie des Universitätsklinikums Bonn
Tel: 0228/28 71 50 57
E-Mail: r.hurlemann@googlemail.com

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