BMBF nimmt am Aktionstag Nachhaltigkeit teil / Interview mit Bundesforschungsministerin Annette Schavan (BILD)

Am 4. Juni 2012 beteiligen sich Stiftungen, Kirchen, Unternehmen,
Städte, Stadtwerke, soziale Einrichtungen, Umwelt- und
Entwicklungsverbände, Behörden, Ämter, Theater und Sportvereine am
Deutschen Aktionstag Nachhaltigkeit des Rates für Nachhaltige
Entwicklung (RNE). Alle die mitmachen, wollen öffentlichkeitswirksam
unterstreichen, dass Nachhaltigkeit lokal wie global beim eigenen
Handeln ansetzen muss. Das BMBF unterstützt den Aktionstag
Nachhaltigkeit durch zahlreiche Aktionen. BMBF-Online sprach mit
Bundesforschungsministerin Annette Schavan über Forschungspolitik im
Zeichen der Nachhaltigkeit.

Frau Schavan, Sie haben mit dem aktuellen Wissenschaftsjahr zur
Nachhaltigkeit ein deutliches Zeichen gesetzt, wie wichtig Ihnen
dieses Thema ist. Gleichzeitig hadern die Bürgerinnen und Bürger
etwas mit diesem sperrigen Begriff. Welche politische Botschaft steht
eigentlich hinter dem Wissenschaftsjahr „Zukunftsprojekt Erde“?

Schavan: In diesen Tagen blicken wir alle nach Rio de Janeiro auf
die „Rio plus 20“ UN-Konferenz für nachhaltige Entwicklung. Vor
zwanzig Jahren formulierte dort die Staatengemeinschaft das
internationale Leitbild für nachhaltige Entwicklung. Wir wissen
heute, dass wir auf der Zielgeraden sind, aber noch lange nicht am
Ziel. Die Politik muss ein politisches Leitbild der Nachhaltigkeit in
unserer Gesellschaft weiter verankern und die entsprechenden
Stellschrauben stellen. Mit dem Wissenschaftsjahr „Zukunftsprojekt
Erde“ wollen wir mit Bürgerinnen und Bürgern, gemeinsam mit vielen
anderen gesellschaftlich aktiven Gruppen und Institutionen, ein Jahr
lang darüber diskutieren, wie wir künftig leben und wirtschaften
wollen und wie wir unsere natürliche Umwelt bewahren können.

So wissen wir alle, dass wir den Kohlendioxidausstoß deutlich
verringern müssen – der weltweite Klimawandel zwingt uns dazu. Das
knappe und bei der Verbrennung klimaschädliche Erdöl verstärkt durch
nachwachsende Rohstoffe zu ersetzen, ist etwa ein erklärtes Ziel der
Nationalen Forschungsstrategie Bioökonomie 2030. Auf meiner
Innovationssommerreise besuche ich deshalb eine Anlage der Süd-Chemie
in Straubing bei München, die aus landwirtschaftlichen Abfällen und
Nebenprodukten wie Stroh auch Biokraftsoff herstellen kann. Wir
fördern diese Demonstrationsanlage mit rund 5 Millionen Euro; sie
stellt einen wichtigen Meilenstein auf dem Weg der Kommerzialisierung
dieser Technologie dar.

Viel Kohlendioxid und natürlich auch Geld kann beispielsweise auch
bei öffentlichen Gebäuden durch energetische Sanierung
beziehungsweise Bauweise und moderne Technik eingespart werden. Wir
machen das gerade mit unserem Neubau in Berlin vor, der nach dem für
Bundesbauten geltenden Bewertungssystem nachhaltiges Bauen mit der
höchstmöglichen Bewertung („Gold“) zertifiziert werden wird. Das
beinhaltet beispielsweise „Smart Grid“ genauso wir
LED-Beleuchtungssysteme. Insgesamt dürfen wir nicht vergessen, dass
auch im Einsparen von Energie durch ihren effizienteren Einsatz ein
riesiges Potenzial steckt. Hier stärker anzusetzen, brächte nicht nur
für Unternehmen wirtschaftliche Vorteile, sondern auch für jeden
einzelnen. In Deutschland sind die Zuwachsraten beispielsweise der
Umwelttechnik-Branche beachtlich. Es wird prognostiziert, dass sie
jährlich um sieben Prozent wächst – für das Jahr 2020 wird ein Umsatz
von 470 Mrd. Euro und 1,1 Millionen neue Arbeitsplätze erwartet. Ich
bin aber auch überzeugt, dass technische Innovationen allein nicht
ausreichen – auch das individuelle Verhalten muss sich ändern.

Was sind für Sie die Herausforderungen auf dem Weg hin zu einer
nachhaltigen Gesellschaft?

Schavan: Für mich ist die wesentliche Frage, wie wir ein gutes
Leben führen können, ohne die Lebensgrundlagen kommender Generationen
zu gefährden. Diese Frage treibt viele Menschen um und ist
gleichzeitig auch die herausragende Fragestellung in der Forschung
für nachhaltige Entwicklungen. Für das große Ziel, unsere Erde auch
in Zukunft lebenswert zu belassen, gilt es für jeden Einzelnen, den
Ausstoß von Treibhausgasen zu verringern und weniger Ressourcen zu
verbrauchen. Das bedeutet: Wir werden künftig anders Bauen und
wohnen, essen und trinken, unterwegs sein und kommunizieren. Ich bin
mir sicher, dass das Bewusstsein dafür bei vielen Menschen vorhanden
ist. Ein nachhaltiger Lebensstil wird von vielen Bürgerinnen und
Bürgern längst nicht mehr als Verzicht, sondern als eine Möglichkeit
betrachtet, Lebensqualität zu steigern. Und selbstverständlich
erwarten die Menschen nachhaltiges Handeln auch von der Politik. Ich
halte es beispielsweise für notwendig, dass wir die Erkenntnisse der
Geistes- und Sozialwissenschaften und neue Technologien stärker
miteinander verzahnen.

Wie setzen Sie persönlich Nachhaltigkeit in täglichen Leben um?

Schavan: Ich bemühe mich als Konsument verantwortungsvoll zu
handeln. Ich beziehe Naturstrom und fahre in meiner Freizeit viel Rad
etwa um Besorgungen zu machen. Beim Einkauf achte ich auf regionale
Produkte und schaue beispielsweise auf Siegel und Zertifikate zum
fairen Handel. Jeder einzelne kann so im Alltag durch sein
Einkaufsverhalten Anstöße für eine nachhaltige Entwicklung der
Wirtschaft geben.

Sie haben mit dem BMBF-Rahmenprogramm „Forschung für nachhaltige
Entwicklungen“ bis zum Jahr 2015 mehr als 2 Milliarden Euro
Fördermittel für die Entwicklung nachhaltiger Innovationen
bereitgestellt. Wie geht es weiter?

Schavan: In Rio will die internationale Staatengemeinschaft die
Umwelt- und Entwicklungspolitik mit Wirtschafts- und Industriepolitik
verzahnen und eine neue Form des Wirtschaftens etablieren, die als
„Green Economy“ diskutiert wird. Dazu werden wir im Herbst zu einem
Fachkongress einladen, der dann die Ergebnisse von Rio in eine
nationale Agenda überführt. Wir haben bereits ehrgeizige Ziele
formuliert. Dazu gehört, dass Deutschland seine Position als
Technologieführer in den Bereichen Klimaschutz und Anpassung an den
Klimawandel, nachhaltiges Ressourcenmanagement sowie innovative
Umwelt- und Energietechnologien weiter ausbaut. Die deutsche
Energiewende ist der Hebel dafür. Innovationspolitik bedeutet
Nachhaltigkeitspolitik. Deshalb fördern wir die Entwicklung von
Leitmärkten für nachhaltiges Wachstum und damit neue Arbeitsplätze.
Technologien, Produkte und Dienstleistungen für den Klimaschutz „Made
in Germany“ sind bereits heute in vielen Bereichen international
führend.

Pressekontakt:
Pressestelle
Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF)
Hannoversche Straße 28-30
10115 Berlin
Tel: 030 / 18 57 – 50 50
Fax: 030 / 18 57 – 55 51
Mail: presse@bmbf.bund.de

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