GKV-Spitzenverband: Reflexe gegen Innovationen bei seltenen Erkrankungen

Sind neue Arzneimittel gegen seltene Erkrankung
tatsächlich oft nutzlos? Sicher nicht. Den Eindruck kann man aber
gewinnen, wenn man die heute veröffentlichte Pressemeldung des
GKV-Spitzenverbandes liest. Demnach würden „nur sehr wenige Orphan
Drugs dem vom Gesetzgeber im AMNOG-Verfahren fiktiv unterstellten
Zusatznutzen gerecht“ heißt es mit Verweis auf eine Untersuchung von
Bewertungsergebnissen, die der Spitzenverband selbst erstellt hat. In
knapp der Hälfte der Patientengruppen sei der Zusatznutzen nicht
quantifizierbar. „Kein Wunder“ erklärt Dr. Norbert Gerbsch,
stellvertretender BPI-Hauptgeschäftsführer, „es stehen viel weniger
Patienten zur Verfügung, die in eine klinische Studie eingeschlossen
werden können. Wer hier mit der Elle für Volkskrankheiten messen
will, ist selbst für die vermeintlich schlechten Bewertungsergebnisse
verantwortlich. „Nicht quantifizierbar“ bedeutet außerdem, dass ein
Zusatznutzen besteht, aber dessen Größenordnung zum Zeitpunkt der
Zulassung nicht vollständig beurteilt werden kann. Zudem schaffen
schlechte Bewertungsergebnisse für den GKV-SV gute Voraussetzungen
für die Preisverhandlungen. Man bekommt den Eindruck, dass der
GKV-Spitzenverband sich hier reflexartig gegen innovative
Arzneimittel bei seltenen Erkrankungen wendet und dabei mit keinem
Wort darauf eingeht, wie wichtig diese für die Patientinnen und
Patienten sind. Das wird nirgendwo mehr deutlich als bei
Arzneimitteln gegen seltene Leiden, die oft dringend erwartet werden,
um überhaupt erstmalig Therapiemöglichkeiten zu schaffen. Dass der
GKV-Spitzenverband sich auch noch ausdrücklich auf die EU-Verordnung
bezieht, nach der jeder Patient dasselbe Recht auf eine gute
Behandlung hat, ist in diesem Kontext zynisch, denn die haben
Patienten vor allem dann nicht, wenn keine Arzneimittel für seltene
Erkrankungen verfügbar sind“, so Gerbsch.

Schlimm sei auch, dass der GKV-Spitzenverband beim Thema Orphan
Drugs die Realität verzerre, zum Beispiel wenn er von „stark
herabgesetzten Zulassungsanforderungen“ spreche. Um das zu
widerlegen, reiche ein Blick in das EU-Recht: „Patienten mit seltenen
Erkrankungen haben den gleichen Anspruch auf Qualität,
Unbedenklichkeit und Wirksamkeit von Arzneimittel wie andere
Patienten. Arzneimittel für seltene Leiden sollten daher dem normalen
Bewertungsverfahren unterliegen.“ (Erwägungsgrund 7 der Verordnung
(EG) 141/2000). Auflagen, Daten nachzureichen seien ein völlig
normaler Vorgang, so Gerbsch. „Was hätte der GKV-Spitzenverband denn
gerne? Soll mit einer Zulassung bis zum St.-Nimmerleinstag gewartet
werden, wenn ein Arzneimittel Erfolge in der Therapie zeigt, nur weil
das Datenpaket dem GKV-SV nicht vollständig reicht? Womit werden die
Patienten, für die meistens keine Therapiealternativen bestehen, denn
dann versorgt? Ich sage es ganz deutlich: Eine Rechtsänderung bei den
Orphan Drugs ist nicht erforderlich. Mit der Zulassung ist behördlich
bestätigt, dass das Arzneimittel ein positives
Nutzen-Risiko-Verhältnis hat, dass also seine positiven Effekte für
den Patienten größer sind als die etwaigen Nebenwirkungen. Zudem wird
behördlich bestätigt, dass ein Zusatznutzen besteht, da es entweder
bislang keine Therapie gab oder die neue Therapie besser als
bestehende Therapieoptionen ist. Es steht dem GKV-Spitzenverband
nicht zu, diese behördliche Entscheidung infrage zu stellen“, so
Gerbsch.

Pressekontakt:
Ihr Ansprechpartner: Andreas Aumann, Tel. 030/27909-123,
a-aumann@bpi.de

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